Tierisch nachhaltig

Von Insekten bis Schafe – manches Weingut hält sich einen kleinen Zoo, um seine Weinberge in Schuss zu halten. Welche Winzer sich mit welchen Viechern verbünden

Wenn in den Steillagen des Weinguts Kruger-Rumpf in Münster-Sarmsheim an der Nahe im Oktober die letzten Trauben gelesen sind, ist es Zeit für Bock Hanniball und seine Schafe. 15 Heidschnucken treiben die Rumpfs dann in die Terrasse ihrer Steillagen. Denn dort ist die kleine Herde über den Winter für die Unkrautvernichtung zuständig. Bis die ersten Triebe sichtbar sind – ungefähr um Ostern – darf alles gefressen werden, was auf dem Boden wächst.

Wie Kruger-Rumpf nutzt heute eine wachsende Zahl an Weingüter in Deutschland tierische Helfer in Ihren Weinbergen. Manchen bauen die Winzer einfach ein freundliches Zuhause, um sie anzulocken. Andere – insbesondere im Bereich der Vierbeiner, wie etwa die Rumpfschen Heidschnucken – werden als offizielle Mitarbeitern des Betriebs beschäftigt. Sie werden gehegt und gepflegt. Im Gegenzug erfüllen Sie ihre Jobs unter den Reben. Die Bandbreite des Weinbergs-Zoos reicht von Regenwürmern und Marienkäfern über Eidechsen und Nattern bis hin zu Laufenten, Ziegen, Pferden und Schafen.

Letztere gehören sicherlich zur verbreitetsten Spezies unter den tierischen Weinbergshelfern. Nicht nur Kruger-Rumpf, auch das ebenfalls in Rheinhessen sitzende Weingut Jean Buscher oder der Rheingauer Winzer Allendorf hat eine kleine Herde. Hier, auf der anderen Seite des Rheins sind es 20 Oussantschafe, die die Welt unter den Weinstöcken sauber halten. „Wir setzen die Tiere auch zum Entblättern ein“, sagte Winzerin Elena Schönleber, die bei Allendorf unter anderem die Schafe betreut. „Schafe sind bequem und fressen gerne, was sie unter sich finden. Aber wenn da nichts mehr ist, knabbern sie eine Etage höher an den Blättern der Reben weiter. Das kommt uns im Sommer sehr zu passe“, so Schönleber. Die Idee, Schafe durch die Weinberge zu schicken, hatten übrigens Neuseeländische Winzer. Im Land der Schafe und des Weines fragten die Weingüter einfach benachbarte Schäfer, ob sie ihre Herden nicht zum Grasen zwischen den Rebzeilen hindurch treiben könnten – schon war das Unkraut entfernt.
Deutlich weniger bequem und deshalb nicht ganz so beliebt wie Schafe sind Ziegen. „Ziegen machen alles klein“, sagt Philipp Rumpf vom Weingut Kruger-Rumpf, der vor den Schafen auch fünf Ziegen in den Weinbergen hatte. „Für Brachflächen, in denen dornige Büsche in Zaum gehalten werden müssen, kann das recht hilfreich sein. In den Weinbergen entwickeln Ziegen aber manchmal ein immenses Zerstörungspotential. Das ist dann nicht so hilfreich“, so Rumpf.

Neben den verschiedenen Vierbeinern gibt es auch deutlich kleinere Unterstützer der Winzer. Sie kann man aber in der Regel nicht in die Weinberge ausschwärmen lassen, sondern muss ihnen Lebensräume und passende Bedingungen schaffen – Biodiversität ist dabei das Schlüsselwort: je vielfältiger und intakter die Flora des Weinbergs, desto lebendiger seine Faune. Denn die kleinen Tierchen brauchen ein Terrain, in dem sie sich wohlfühlen. Regenwürmer zum Beispiel. Sie lockern durch die winzigen Tunnel, die sie hinterlassen, den Boden auf – so kann das Wasser gut in den Boden sickern und Nährstoffe zu den Pflanzen transportieren. Gleichzeitig helfen sie, Pflanzenreste in Humus zu verwandeln. So setzt der Rheingauer Philipp-Jakob Kühn Kompostwürmer ein, um nährstoffreiche Erde für seine Wingerte zu gewinnen. Auch Marienkäfer gehören zu den kleinen Helfern. Bereits in ihrer Larvenzeit verspeisen sie bis zu 3000 kleine Schädlinge, Pflanzenläuse oder Spinnmilben.

Besonders an der Mosel gesellen sich auch noch Eidechsen, wie Smaragd- und Mauereidechsen und Schlingnattern zu den Weinbergshelfern. Hier bewahren ihnen Winzer wie Reinhard Löwenstein und Cornelia Heymann-Löwenstein vom Weingut Heymann-Löwenstein ihren Lebensraum, in dem sie die typischen Trockenmauern ohne Speis aufbauen. Denn so haben die Tiere in den Zwischenräumen ideale Rückzugsmöglichkeiten. „Sie fressen kleine Tierchen und Räumen den Boden auf“ sagt Cornelia Heymann-Löwenstein. Außerdem würden sie für die Belüftung des Bodens sorgen. Besonders stolz ist sie auch auf den Apollofalter, der zu den gefährdetsten Schmetterlings-Arten gehört und nun in den Weinbergen von Heymann-Löwenstein einen idealen Tummelplatz gefunden hat. Zwar dient der graubraune Falter mit den roten Punkten eher als Dekoration – aber er drückt doch aus, dass die Weinberge im biologischen Gleichgewicht sind. Auch die diversen Bienenvölker, die etwa in den Weinbergen des Pfälzer Winzers und VDP.Präsidenten Steffen Christmann unterwegs sind, haben keine direkte Auswirkung auf die Reben, helfen aber all den anderen Pflanzen im Weinberg.

Ganz praktischen Nutzen hingegen haben Laufenten. Sie sind gefräßige Schneckensucher. Insbesondere Nacktschnecken gehören zu ihren Leibgerichten. Eine 400-köpfige Truppe scheucht etwa das südafrikanische Weingut Vergenoegd täglich zwei Mal in ihre Weinberge in Stellenbosch. In Deutschland sind allerdings weder beim Deutschen Weininstitut noch beim VDP.Die Prädikatsweingüter Winzer bekannt, die Enten oder Hühner in den Weinbergen haben.

Ein echtes Arbeitstier im Weinberg ist außerdem das Pferd. Bei Bergdolt-Reif & Nett in Rheinhessen heißt es Herr Müller, im Weingut Dr. Heger Willi – wie der Silvaner mit dem Namen „Pferd Willi“, in dessen über 50-jährigen Anlagen Willi den Boden pflügt. Durch das Pflügen auf althergebrachte Weise werde der Bodenverdichtung entgegengewirkt, so das Weingut. Zudem könnten kleine, schmale, steile und dichtbestockte Flächen perfekt bearbeitet, in denen sonst ausschließlich Handarbeit möglich wäre. Außerdem lasse sich durch den Einsatz alter Arbeitsgeräte wie Rollhacke und Scheibe ganz auf den Herbizideinsatz verzichten. Winzer Joachim Heger glaubt dabei an die Ausweitung des Projektes über die aktuell bearbeitete Silvaner-Anlage hinaus. Noch sei der Kaltblüter Willi ja fünf Jahre alt.

Foto: VDP.Weingut Dr. Heger / Baschi Bender

Dieser Text ist in gekürzter Form im Gault & Millau 2018 erschienen.

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